Der Schritt zurück beim Artenschutz – wenn die Biodiversität gegen die Agrarlobby unterliegt

Artenschutz und Umweltschutz sowie eine ökologisch sinnvolle Landwirtschaft gelten als wichtige Klimaziele, die sich viele Länder der Welt für die kommenden Jahrzehnte gesetzt haben. Doch was bleibt letztlich übrig von den wohlklingenden Gesetzesvorschlägen? Das Beispiel der UN-Biodiversitätskonferenz vor anderthalb Jahren zeigt, wie wenig sich die einzelnen Interessen dabei miteinander vereinen lassen – dem raschen Schritt nach vorn folgen nicht selten ein Zögern sowie ein Schritt zurück. Eine traurige Entwicklung, an der die Agrarverbände nicht ganz schuldlos sind.

Große Ziele beim Artenschutz wurden formuliert

Überraschend umfangreiche Entscheidungen wurden bei der Biodiversitätskonferenz 2022 gefällt: Als die Staaten der Vereinten Nationen im Dezember des Jahres im kanadischen Montreal zusammentrafen, da war den Aussagen aller Beteiligten der Wunsch nach mehr Umweltschutz anzumerken. Energisch traten diese etwa für die Renaturierung bereits geschädigter Ökosysteme ein. Rund ein Drittel aller weltweit verfügbaren Land- und Wasserflächen sollten zu Naturschutzgebieten umgewidmet werden. Als weiterer Schritt wurde die Reduzierung aller Subventionen vereinbart, die zur Zerstörung der Umwelt beitragen – das auf diese Weise eingesparte Geld war für den Artenschutz eingeplant. Einige der Länder, die das Abkommen unterzeichnet haben, wollten in ihren nationalen Bestimmungen sogar deutlich über die beschlossenen Ziele der UN-Biodiversitätskonferenz hinausgehen. So etwa die Europäische Union, die dabei eine Vorreiterrolle beanspruchte.

Gesetzesvorschläge ließen nicht lange auf sich warten

Die EU und einige ihrer Mitgliedsstaaten haben anschließend keine Zeit verloren, die in Montreal getroffenen Vereinbarungen in geltendes Recht umzusetzen. Der Schwerpunkt aller Aktivitäten lag dabei auf der Renaturierung. Wälder sollten aufgeforstet, Moore bewahrt und Flussläufe gesäubert werden. Mehr noch: In der Landwirtschaft waren vier Prozent aller vorhandenen Flächen als Schutzgebiet vorgesehen – auf ihnen hätte sich die Natur frei entfalten dürfen. Der kommerzielle Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln hätte zudem künftig auf eine Vielzahl der heute eingesetzten Pestizide verzichten müssen. Ziele, die bis in das Jahr 2030 weitgehend erreicht werden sollten. Auf diese Weise entstand ein Gesamtkonzept, das unter der Bezeichnung des European Green Deal sogar international einige Zustimmung bekam.

Viel Sand im Getriebe beim Artenschutz

Doch so wohlklingend die Vorschläge in die einzelnen Parlamente eingebracht wurden, so wenig Gehör fanden sie dort. Sowohl in den Ländern als auch in der Europäischen Union erhielten viele der Ideen keine Mehrheit. So wird weiterhin um Kompromisse gerungen, die alle Interessen abdecken sollen – die aber doch recht weit von den einst in Kanada gefassten Entscheidungen entfernt sein dürften. Ganz zum Leidwesen der Natur, die sich durch die stetig wachsenden Wohngebiete und landwirtschaftlich genutzten Flächen zunehmend einschränken muss. Auch hierzulande nimmt die Zahl der aussterbenden Arten unter Pflanzen und Tieren zu. Der Vorschlag, demgegenüber in den Innenstädten für mehr Grünanlagen zu sorgen, verhallte weitgehend ungehört. Welche Maßnahmen letztlich überhaupt umgesetzt werden können, bleibt folglich abzuwarten.

Die Agrarlobby ist zu groß

Die Reaktionen auf einige der angedachten Gesetzesänderungen haben es in den letzten Monaten nicht nur in Deutschland in die Medien geschafft. Weltweit gingen Landwirte für ihre Rechte auf die Straßen, demonstrierten in langen Wagenkolonnen etwa gegen die Pflicht zur Vermeidung der Pestizide und wiesen lautstark auf eigene Anliegen hin. Ein Vorgehen, das aus Sicht der Lebensmittelindustrie nachvollziehbar sein mag. Immerhin erschweren viele der Vorschläge die Arbeiten auf dem Feld, ebenso verteuern sie die dabei erzeugten Produkte. Im Vergleich dazu wurde der Umweltschutz von der Agrarlobby gewogen und für zu leicht befunden – die Bauernverbände sowie die ihnen nahestehenden und meist konservativen Parteien verweigerten ihre Zustimmung zum Green Deal. Eine Entwicklung, die sich in vielen Nationen rund um den Globus vollzog.

Noch besteht Hoffnung

Zugegeben, die Politik scheint vor einer scheinbar unlösbaren Herausforderung zu stehen. Gilt es doch, unterschiedliche Interessen miteinander zu vereinen. Allerdings ist gerade unter den Landwirten in den letzten Jahrzehnten ohnehin eine immer stärkere Ablehnung des Umweltschutzes erkennbar geworden. Die Abkommen der UN-Biodiversitätskonferenz aus dem Jahre 2022 wirken dabei wie ein Stich ins Wespennest, der unter den Bauern fast ausschließlich auf Ablehnung stieß. Dennoch ist das Ringen um ökologisch sinnvolle Entscheidungen noch nicht beendet. Vor allem hinter verschlossenen Türen wird europa- und weltweit verhandelt. Allen Beteiligten ist dabei zu wünschen, dass im Ergebnis nicht wieder vollmundige Vorhaben entstehen, die später unter dem Einfluss der Agrarverbände zurückgenommen werden müssen. Den Landwirten sei dagegen mehr Verständnis für den Umweltschutz empfohlen – von dem auch sie profitieren.

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