Vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten durch Gentechnik mit anderen Artverwandten zu kreuzen, um sie widerstandsfähiger zu machen – das klingt erst einmal gut. Doch in den meisten Menschen regen sich Bedenken. Dürfen wir Tierarten einfach klonen, um den Lauf der Evolution zu beeinflussen?

Warum sind viele Tier- und Pflanzenarten überhaupt vom Aussterben bedroht? Geht es hier nicht um dasselbe ethische Dilemma wie bei der Frage, ob ein Teil von uns eines Tages auf den Mars umzieht, weil die Erde nicht mehr bewohnbar ist? Und wer entscheidet das eine oder andere überhaupt?

Tiere oder Pflanzen genetisch verändern, damit die Art überlebt

Es ist eine kniffelige Angelegenheit, über das Für und Wider des Klonens oder genetischer Manipulationen zu entscheiden – ohne dabei die Ursachen für diese Notwendigkeit einzubeziehen. In den meisten Fällen wurde das Aussterben der betroffenen Tier- und Pflanzenarten durch menschliches Handeln verursacht.

Ist es ethisch vertretbar, einen Teil der bedrohten Tier- und Pflanzenwelt durch Gentechnik oder Klonen retten zu wollen, obwohl die Menschen anscheinend nichts dazugelernt haben und weitermachen wie bisher? Wenn Forscher resistentere Vogel- oder Korallenarten züchten, damit diese mit dem Klimawandel oder dezimierten Lebensräumen zurechtkommen, bekämpfen sie die Wirkung statt der Ursache.

Die wichtige Frage nach Ursache und Wirkung

Statt die Ursachen des Artensterbens zu beheben, doktern wir bevorzugt an den Folgen menschlichen Handelns herum. Fakt ist: Bei gleichbleibenden Ursachen werden sich über kurz oder lang ähnlich fatale Ergebnisse einstellen.

Werden solche genmanipulativen Eingriffe nur vorgenommen, damit die Menschheit so weitermachen kann wie bisher? Möchte sie sich dabei trotzdem als Retterin bedrohter Arten in Szene setzen?

Werden irgendwann Mammuts aus Genmaterial geklont oder Dinosaurier bevölkern erneut die Erde? Beides würde massive Eingriffe in die bestehenden Ökosysteme darstellen. Noch lebende Tier- und Pflanzenarten durch Genmanipulation zu erhalten, klingt da zunächst deutlich sinnvoller.

Ein Beispiel für Rettungsversuche durch menschliche Eingriffe

Der Schutz der aussterbenden Nördlichen Breitmaulnashörner, von denen nur noch zwei weibliche Nashorn-Seniorinnen in einem Nationalpark existieren, scheint eine gute Tat zu verheißen. Diese Tierart wurde von Menschenhand fast vollständig ausgemerzt, um aus den Hörnern der Tiere Potenzmittel herzustellen. Klont man diese Tierart nun, freut das vor allem die Potenzmittel-Hersteller und Nashorn-Wilderer.

Dennoch möchten Forscher diese und andere Tierarten vor dem Aussterben retten. In solche Überlegungen werden auch Bioethiker eingebunden. Eine der noch lebenden Nashorndamen wurden deswegen Eizellen entnommen und mit dem eingefrorenen Sperma bereits verstorbener Nashornbullen befruchtet. Das wurde durch Gendatenbanken ermöglicht. Als Leihmütter sollen vermutlich die Südlichen Breitmaulnashörner dienen.

Der Genpool wäre aber selbst bei einem Zuchterfolg so klein, dass diese Spezies kaum eine Überlebenschance hätte. Alternativ bietet sich die Stammzellenforschung als Lösung.

Ein gentechnisches Experiment und seine Folgen

Im Jahre 2022 schaffte das Team von „Biorescue“ es, eingefrorene Hautzellen von einem 2015 verstorbenen weiblichen Nördlichen Breitmaulnashorn durch RNA-Viren umzuprogrammieren. Aus Hautzellen wurden Stammzellen. Dank dieses wissenschaftlichen Durchbruchs könnte man aus den Stammzellen nun Eizellen und Sperma herstellen.

Dass das funktioniert, bewies der Katsuhiko Hayashi, ein japanischer Genetik-Experte schon 2016. Doch nicht alle Forscher sind von solchen Experimenten überzeugt. Alles, was die Biotechnologie schon heute leisten kann, hat unabsehbare Folgen. Selbst wenn wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden und solchen Versuchen edle Motive zugrunde liegen, sollte man das Ganze kritisch sehen.

Das eigentliche Problem gerät dadurch aus dem Blick, sagen Kritiker. Klimawandel, Umweltzerstörung und Wilderei enden damit ja nicht. Wir unterliegen dem Glauben, wir könnten weitermachen wie bisher und die Ergebnisse unseres destruktiven Handelns wenigstens teilweise kaschieren.

Der Versuch ist allerdings illusorisch. Klonen und Genmanipulationen lösen möglicherweise einige der menschengemachten Probleme. Sie schaffen aber zahlreiche neue, die ebenfalls menschengemacht und vermutlich unumkehrbar sind.

Der interessierte Blick der Wissenschaftler

Wissenschaftler möchten herausfinden, was funktioniert und was nicht. Auch wenn die Gen-Forscher behaupten, unerwünschte Veränderungen am Erbgut durch Genmanipulationen ausschließen zu können, gibt es daran berechtigte Zweifel. Die Neigung zu Mutationen ist nun einmal unkalkulierbar.

Kritiker halten insbesondere die CRISPR/CAS-Technologie für gefährlich. Per Gen-Schere werden bei der CRISPR-Methode Gene zerschnitten. Sie werden teils mit fremder DNA zusammengebracht. Was im Vererbungsprozess mit der DNA nicht-genmanipulierter Arten passiert, ist derzeit unklar.

Wenn man Honigbienen durch CRISPR-Eingriffe an deren Darmflora resistent gegen Varroa-Milben macht, bleibt der Kontakt zu anderen Insekten vermutlich nicht folgenlos.

Die entscheidende Frage zur Beurteilung ethischer Relevanz

Kann man genmanipulierte oder geklonte Tier- und Pflanzenarten wieder aus dem Ökosystem entfernen, wenn sie sich als schädlich erweisen? Wohl kaum. Vor allem, weil es mehrere Generationen dauern kann, bis die Folgen erkennbar werden. Wir schaffen es aber womöglich, die invasivste Art aller Zeiten aus der Welt zu schaffen: uns selbst.

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