Der Uhu und die Raunächte – das steckt wirklich hinter dem Aberglauben
Die meisten Menschen sind mit zahlreichen Mythen aufgewachsen. Wie etwa jenem, dass der Ruf des Käuzchens den Tod einer geliebten Person ankündigen soll. Noch schlimmer ergeht es jenen, die einen Uhu sehen oder hören: Findet diese unheilvolle Begegnung zudem in den sogenannten Raunächten statt, droht großes Ungemach. Doch worauf lässt sich dieser Glaube überhaupt zurückführen – und was bedeutet er für die heutige Zeit?
Die Raunächte – was ist das eigentlich?
Erstmalig lassen sich die Raunächte im 4. Jahrhundert nach Christi Geburt nachweisen. Der Grund dafür: Der seinerzeit gültige Mondkalender umfasste nur 354 Tage. Entsprechend kam den übrigen elf Tagen des Jahres eine besondere Bedeutung zu. Mythologisch interessanter waren jedoch die zwölf verbleibenden Nächte, die sich vom 21. Dezember bis zum 6. Januar – in anderer Auslegung zwischen dem 24.12. und dem 09.01. – erstreckten: Diese Nächte sollten Vorboten der Zukunft sein. Was in ihnen geträumt wurde, ließ Gutes und Schlechtes erkennen, das die Menschen in den kommenden Monaten heimsuchen konnte. Zudem stand jede Nacht unter einem wichtigen Motto. Beeinflusst wurden dabei individuelle Themen wie die Freundschaft, das Beenden von Streitigkeiten, das Finden der Liebe oder die eigene Gesundheit.
Was war verboten, was war erlaubt?
Nach Ansicht der Mythologie kämpften in den Raunächten – die Vorsilbe “rau” lässt sich im germanischen Sprachgebrauch als “wild” oder “tobend” übersetzen – die bösen gegen die wohlwollenden Naturgeister. Wer kein negatives Schicksal heraufbeschwören wollte, verzichtete während der elf Tage und zwölf Nächte darauf, die Wäsche zu waschen, laut mit den Türen zu knallen, Haare und Nägel zu schneiden oder Hülsenfrüchte zu essen. Besser war es dagegen, das Haus mit heiligen Symbolen zu versehen, Räume und Ställe mit Weihrauch zu reinigen oder sich gegenseitig mit Salz zu bestreuen. Eine starke Wirkung beim Vertreiben der Geister ließ sich zudem erzeugen, wenn in der Nacht des Jahreswechsels viel Krach gemacht wurde – davon leitet sich das heutige Silvesterfest ab.
Welche Rolle spielte der Uhu für die Raunächte?
In einer Zeit, in der laute Winde als Ankündigung des Unheils angesehen wurden, ist es nicht verwunderlich, dass auch dem Kommen und Gehen bestimmter Tiere eine besondere Aussagekraft zukam. Das gilt umso mehr für den Uhu, der in allen antiken Gesellschaften eine wichtige Bedeutung für die Mythologie besaß. Die größte Eulenart Europas gilt als Wächter der Zwischenwelt, die sich zwischen Lebenden und Toten erstreckt. Wo sie auftauchte, da sollten Kriege und Krisen nicht mehr weit sein. Katastrophen sollten sich unter den Menschen verbreiten und Ernten vernichten, Tiere mit Krankheiten plagen oder ganze Städte dem Niedergang weihen. Die Furcht der Menschen vor dem Uhu war in der Antike sowie im Mittelalter also stark ausgeprägt.
Warum ist der Uhu in den Raunächten häufig zu hören?
Tatsächlich kann der Ruf der Eule – der immerhin bis zu einem Kilometer weit zu hören ist – in seiner tiefen und zugleich schrillen Art für Furcht sorgen. Mehr noch: Wer in Dämmerung und Dunkelheit die wie Bernstein leuchtenden Augen des Uhus sieht, fühlt sich schnell an ein Feuer erinnert. Doch all das hat einen ganz logischen Grund. Denn üblicherweise befindet sich der große Vogel zwischen Mitte und Ende Dezember in der Balz. Mit seinen Rufen begibt er sich auf die Partnersuche. Dass er gerade in den Raunächten so präsent zu sein scheint, ist daher kein schlechtes Omen – sondern lediglich ein zufälliges Zusammenspiel zwischen Natur und Mythologie.
Was bedeutet das Erscheinen des Uhus?
Wer in den Rauhnächten den Uhu sieht oder hört, sollte daher nicht in Angst verfallen, sondern sich lieber über den leider doch selten gewordenen Gast freuen. Zwar vermehren sich die Uhus gegenwärtig wieder etwas stärker und sie suchen zunehmend die Nähe zu den Städten. Dennoch benötigen sie einen vielfältig bewachsenen Lebensraum, der ihnen Sträucher und Bäume zum Nisten und Verstecken bietet, der aber ebenso kleinere Nagetiere sowie Hasen und Kaninchen als Nahrung bereithält. Wo der Uhu lebt, brütet und seine Nachkommen in die Welt schickt, da fühlt er sich wohl und findet ein naturbelassenes Areal vor. Wer ihm begegnet, darf sich daher über eine intakte Umwelt glücklich schätzen – und sollte den imposanten Vogel nicht mit einem bösen Geist verwechseln.
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