Was ist wirklich notwendig, um die Biodiversität zu erhalten?
Trotz internationaler Anstrengungen sind die Erfolge im Kampf um den Erhalt der biologischen Vielfalt überschaubar. Zwei aktuelle Berichte des UN-Expertenrats für Biodiversität (IPBES) sprechen unbequeme Wahrheiten aus und unterstreichen die Notwendigkeit übergreifender Lösungsansätze.
Isolierte Lösungen versprechen keine nachhaltigen Erfolge
Nicht nur die Bekämpfung des Klimawandels ist eine Jahrhundertaufgabe für die internationale Gemeinschaft: Hunger, Wasserknappheit und medizinische Notstände plagen viele Weltregionen. In Zeiten eines erneuten Wettrüstens zwischen den etablierten Industrienationen und einigen Schwellenländern fallen die Budgets für Entwicklungshilfe und Nachhaltigkeitsprojekte geringer aus als noch vor wenigen Jahren. Dies sind düstere Aussichten für alle, die sich dem Kampf für den Erhalt der Biodiversität und gegen den Klimawandel verschrieben haben.
Ein in Namibias Hauptstadt Windhoek vorgestelltes Gutachten beschreibt ein grundsätzliches Problem, an dem die bisherigen Ansätze zur Lösung der großen Menschheitsprobleme kranken: Die meisten Akteure betrachten demnach die Klimakrise, medizinische Notstände sowie die mangelhafte Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Wasser in diversen Weltregionen als isolierte Themen, die unterschiedliche Herangehensweisen erfordern. Die Autoren des Gutachtens heben hervor, dass die Wechselwirkungen zwischen den Problematiken oftmals aus dem Blick geraten. Aufgrund der fehlenden interdisziplinären Zusammenarbeit seien viele Projekte zum Erhalt der Biodiversität „ineffektiv und kontraproduktiv“ gewesen.
Sind die Krisen unserer Zeit zu komplex, um sie zu lösen?
Das in Windhoek vorgestellte Gutachten, das die Verknüpfung verschiedener globaler Probleme und Krisen betont, trägt den inoffiziellen Namen „Nexus-Report“. „Nexus“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Verbindung“ oder „Gefüge“. Entsprechend seinem Namen schlägt der Report vor, den Kampf gegen die globalen Krisen neu und vor allem interdisziplinär zu gestalten. Der Bericht stellt unter anderem fest, dass die Leistungsfähigkeit ganzer Ökosysteme abnimmt, wenn der Bestand einzelner Tier- und Pflanzenarten gefährdet ist – eine Erkenntnis, die zwar seit langem bekannt ist, nach der die verantwortlichen Akteure jedoch unzureichend handeln.
Obwohl der „Nexus-Report“ ein düsteres Bild der bisherigen Bemühungen um den Erhalt der Biodiversität zeichnet, weckt er zugleich Hoffnungen: Aufgrund der Biodiversität, was wirklich zu tun wäre
- Verflechtungen der Krisen scheint es möglich, mehrere Probleme durch geschickte Interventionen gleichzeitig anzugehen.
- Interdisziplinäre Lösungsansätze: zwei Fallbeispiele
- Der IPBES-Report hebt zwei Beispiele für eine erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit hervor:
Im Senegal gilt die Bilharziose, eine potenziell lebensgefährliche Wurmkrankheit, die von den Larven einer bestimmten Saugwurmart verursacht wird, als weitverbreitetes medizinisches Problem. Die Behandlung der Betroffenen mit Wurmkuren führte nur zu temporären Erfolgen: Die zuständigen Ärzte behandelten zwar die Symptome, aber sie konnten die Ursache der Erkrankung nicht beseitigen, sodass es regelmäßig zu Neuinfektionen kam. Erst als mehrere Fachrichtungen zusammenwirkten, stellten sich nachhaltige Erfolge ein: Mediziner, Biologen und andere Experten ergriffen zunächst Maßnahmen, um die Wasserqualität zu verbessern. Weiterhin bekämpften sie invasive Pflanzenarten, auf denen Schnecken leben, die Wirte der krankheitsverursachenden Saugwürmer sind.
Früher war es in der Region um Sacramento im US-Bundesstaat Kalifornien üblich, den nach der Ernte übrig gebliebenen Reisstroh zu verbrennen. Diese Vorgehensweise erhöhte die Luftverschmutzung, verursachte Atemwegserkrankungen bei den dort lebenden Menschen, vernichtete Lebensräume für Tiere und steigerte die Gefahr von Waldbränden. Heute fluten die Farmer die Reisfelder im Winter mit Wasser. Dieser neuartige Ansatz führte zu mehreren positiven Effekten: Tiere wie Kraniche und der Pazifische Königslachs kehrten zurück und die Prävalenz von Atemwegserkrankungen sank. Die Region in Kalifornien gilt heute als Musterbeispiel für eine erfolgreiche Renaturierung.
Die notwendige Transformation bietet mehr Chancen als Risiken
Laut dem zweiten jüngst veröffentlichten IPBES-Report, der die Bezeichnung „Bericht zum transformativen Wandel“ trägt, hängt global eine Wirtschaftsleistung von rund 58 Billionen Dollar von der Natur ab – nahezu das gesamte Weltinlandsprodukt. Wenn die internationale Gemeinschaft die bestehenden Krisen ignoriert, gefährdet sie nicht nur Millionen von Menschenleben, sondern auch ihren Wohlstand. Diese unbequeme Wahrheit ist insbesondere an die Industrienationen adressiert, deren Wirtschaftssysteme maßgeblich für den Rückgang der Biodiversität verantwortlich sind, die aber bislang kaum unter den Konsequenzen leiden.
Der Nexus-Report hebt jedoch hervor, dass sich eine gesunde Weltwirtschaft und stabile Ökosysteme nicht ausschließen.
Im Gegenteil: Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass durch den Umbau verschiedener Branchen weltweit neue Businessmodelle im Wert von rund zehn Billionen Dollar entstehen werden. Die entstehenden Unternehmen könnten bis zu 400 Millionen Arbeitsplätze schaffen und den technologischen Fortschritt weiter vorantreiben.
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